Space transmitters

Räume im Denken und Schaffen Eva Alters

Hat man ein paar von ihnen gesehen, erkennt man Eva Alters Gemälde sofort, die wiederkehrenden Grundformen, Gespür für Farbkomposition, eine allgegenwärtige Transparenz. Doch ist jedes von ihnen auch Aufbruch ins noch Unbekannte, der Beginn des Malprozesses ein Schritt über eine Schwelle, ein Sprung, der Mut erfordert und Einstimmung. Alle Sinne offen, nimmt die Künstlerin visuelle und akustische Eindrücke auf dem Weg ins Atelier auf, welche sie bisweilen physisch erfährt, mit sich trägt, my body is the frame wherin ‘tis held, Shakespeare: Rahmen, Resonanzraum. Raum und Rahmen, so auch Eva Alters Worte, gibt zudem die Lektüre philosophischer Texte im Atelier; und Musik, der weite Blick über ein heterogenes Suburbia hinter der großen Fensterfront.

Die Ausführung dann, in die Fläche gehend oder den Rändern malerisch nachspürend, ist ein hochsensibler Dialog mit dem entstehenden Bild, zwischen Geist und Material: Kohle, Kreiden, die Konsistenz der verwendeten Farben, deren Pigmenthaltigkeit, nehmen Einfluss; und wie sie sich auftragen lassen auf eine oder mehrere Grundierungen oder direkt auf die Leinwand. Eva Alter lässt auf vielfältige Weise Elemente sich zueinander verhalten; Hingezickzacktes, Flächiges, architektonisch Anmutendes, linienartige Strukturen, Farbakzente beziehen sich auf-, stoßen aneinander, überlagern sich, scheinen miteinander verschmolzen (oft ist nicht erkennbar, was nun zuoberst liegt, was darunter, oder beides zugleich), stören oder widersprechen sich.

Uneindeutiges wohnt den Gemälden inne: Ein graues Feld, unten und an den Seiten von weißen Linien akzentuiert, liegt wie gerade eingeschlagen auf pastellenem wolkig gemaltem Grund, zieht sich jedoch gleichzeitig zurück, lässt die darunterliegende Farbe durchscheinen. Härte und Zartheit, Zusammenspiel und Reibung. Manchmal haben die Bilder etwas Ruppiges an sich, wenn etwa Partien von ihnen erkennbar übermalt sind, eine helle linien-, rahmenartige Struktur die Teile zusammen hält, im oberen Teil jedoch sich wie eingräbt. Die Durchlässigkeit, die kennzeichnend ist für Eva Alters Gemälde, suggeriert Tiefe und Raum, die deutliche Sichtbarkeit des Malprozesses wirft das Bewusstsein zurück auf die Fläche. Um solche widerständigen, ambivalenten Momente geht es der Malerin, einen zu harmonischen, einfach zu lesenden Zustand überarbeitet sie. So verändert sich die Wahrnehmung ihrer Werke während des Betrachtens, schnelle Zuordnungen, Lesarten, werden unterlaufen, was zu bewusstem, konzentriertem Schauen verleitet. Zeit, die es braucht, dieser, Kipppunkte gewahr zu werden. Und es kommt vor, dass ein Bild bei erneuter Betrachtung verändert scheint.

Hat man Eva Alters Gemälde geschaut, ist man von ihnen gefesselt, wünscht sich ein nächstes Mal, neugierig darauf, wie sie sich zeigen mögen, wie man sie sieht, dann vielleicht in ungewohnter Umgebung. Die Künstlerin möchte sehen, wie ihre schmalen hochformatigen Bilder, die sie selbst als sich Räumen öffnende Türen sieht, sich wiederum zu neuen weiten Räumen, außerhalb gewohnter Kunstorte, verhalten. So präsentierte sie diese bereits gelehnt an den Gitterzaun zwischen dem Gelände des Ateliergebäudes und dem einer Lagerhalle, indes ihr vorschwebt, sie in einem Wald zu zeigen. Manifestiert in ihrem Werk, vermittelt sich ihr freies, Raum und Zeit durchströmendes Denken.

Jörg Hennings

Über den Grund der Bilder

Malerei ist nie grundlos, auch wenn sich ihr Grund bisweilen der Sichtbarkeit entzieht. Das gilt ganz konkret für ihren materiellen Grund, ihr Trägermedium – meist die grundierte Leinwand. Bedeckt von dichten Schichten von Farbe, wird sie zum reinen Untergrund und tritt vielleicht nur noch an den Rändern in Erscheinung. Ebenso kann sie sich beinahe in den Vordergrund drängen, so dass ihre Textur spürbar wird und die Farbe wie in das Gewebe eingesunken wirkt. Das Verhältnis von Farbe und Malgrund ist mithin weit komplexer, als es zunächst den Anschein hat: Die Farbe kann den Grund nahezu zum Verschwinden bringen, aber sie kann ihn ebenso überhaupt erst in die Sichtbarkeit holen.

Sichtbarmachung und Unsichtbarmachung des Grundes, so führt uns Eva Alters Gemälde B02 – 1220 vor Augen, sind keine sich ausschließenden Operationen, sondern vielmehr Prozesse, die sich gegenseitig verstärken und dabei zugleich neue Übergänge und Verbindungen hervorbringen können: Die kräftigen gelben Pinselstriche ganz oben im Bild drängen gleichsam aus diesem heraus, aber wo das Gelb ins Grünliche übergeht, wird dessen Grund wieder ganz haptisch erfahrbar; in den tiefroten und dunkelblauen Partien scheint sich die Farbe bisweilen ganz der Leinwand anzuverwandeln, um dann in wenigen pastosen Bewegungen aus dieser hervorzutreten; die braunschwarzen Flächen am oberen wie unteren Bildrand wirken zunächst wie bloßer Hintergrund, um erst auf den zweiten Blick ihre Tiefe zu offenbaren, aus der an einzelnen Stellen ansonsten verborgene Farbschichten an die Oberfläche treten.

Wer sich auf dieses Gemälde einlässt, wird viele und auch andere Entdeckungen machen können. Sie alle eint, dass in ihnen das Bild nie als reine Fläche erscheint. Anders als die ebenso flüchtigen wie allgegenwärtigen digitalen Bilder auf unseren Screens und Displays, die aus dem Nirgendwo kommen und ihren leuchtenden Grund überstrahlen, treten uns die Bilder der Malerei als physische Körper entgegen, die ihre eigene Tiefe besitzen. Der Körper der Leinwand ebenso wie die feinstoffliche Materialität des Pigments teilen mit uns einen Raum, sie berühren uns nicht zuletzt auch deswegen, weil wir sie berühren könnten. Sehen, wenn es sich dazu die Zeit nimmt, wird so zu einem nicht allein optischen, sondern ebenso haptischen Prozess, der nachvollzieht, was Malerei bedeutet: als Arbeit am Verhältnis von Farbe und Grund, als Prozess der Schichtungen, Berührungen und Verbindungen.

Roland Meyer